Kersten Krüger, am 24. Sep 2010
Tycho Brahe 1546-1601
Zu den bis heute weltberühmten Alumni der Universität gehört der Astronom Tycho Brahe, der im 16. Jahrhundert die exakte Beobachtung der Himmelskörper begründete und hiefür zahleiche Instrumente entwickelte. Zu seinen Schülern zählte unter anderen Johannes Kepler. Dem dänischen Hochadel entstammend, wuchs Tycho Brahe im damals noch dänischen Schonen (seit 1658 schwedisch) auf. Mit 13 Jahren bezog er 1559 die Universität Kopenhagen, um nach dem Willen seiner Familie Jura im Hinblick auf höheren Staatsdienst zu studieren. Selbstbewusst, kreativ und eigenwillig verfolgte er jedoch bald andere Interessen, nachdem er 1560 die Sonnenfinsternis erlebt hatte: Mathematik und Astronomie wurden seine Leidenschaften. Standesgemäß ging er, begleitet von einem Hofmeister, 1562 auf die europäische Kavaliers- und Ausbildungsreise. Die Universität Leipzig war sein erstes Ziel. Nach vier Jahren wechselte er nach Wittenberg und kurz darauf nach Rostock, wo er am 26. Oktober 1566 mit der Bemerkung immatrikuliert wurde: "Tycho Brahe, natus es nobili familia in ea parte regni Danici quae dicitur Scania." Hier führte seine Leidenschaft für die Mathematik zu einem Streit mit einem dänischen Kommilitonen, der in einem Duell endete.
Darüber berichtet Tycho Brahes Biograph Gassendi, dass bei einer Einladung in das Haus des Professors Lukas Bacmeister d. Ä. (Catalogus Professorum Rostochiensium:
http://purl.uni-rostock.de/cpr/00001338) zwischen ihm und Manderup Parsberg, wer der beiden in Mathematik den anderen übertreffe. Unversöhnt gingen sie auseinander, und über Weihnachten spitzte sich der Streit noch zu mit der Folge eines Duells.
"Am ... 29. Dezember, griff man zu den Waffen, der Streit fand etwa abends um sieben Uhr statt. Es herrschte tiefes Dunkel, in welchem Manderup dem Tycho eine solche Wunde beibrachte, dass dadurch beihnahe der ganze vordere Teil der Nase abgeschnitten wurde. In seinen Briefen erzählt Johannes Baptista Laurus, ... dass Tycho sich eine Ersatznase nicht aus Wachs, sondern aus Gold und Silber habe schmieden lassen. Diese habe er so angeklebt und so fest aufgesetzt, dass wahrhaft eine ganze Nase vorgetäuscht wurde. Auch erzählte mir früher Wilhelm Jansonius [Wilhelm Janszoon Blaeu], der ganze zwei Jahre mit Tycho zusammen verbrachte, jener habe immer eine kleine Büchse mit sich getragen - er wusste nicht, ob mit einer Salbe oder mit Kleber gefüllt - aus der er recht häufig etwas der Nase auftrug."*
In Rostock hielt es Tycho Brahe nicht lange; er reiste über Wittenberg nach Augsburg, später nach Kassel, Venedig, wiederum Augsburg und Regensburg, wo er Kaiser Rudolf II. kennen und schätze lernte. Der dänische König sah ihn gern wieder in Dänemark und übertrug ihm 1576 die Insel Hven im Öresund zur Verwaltung. Hier setzte Tycho Brahe seine grundlegenden astronomischen Forschungen fort, baute 1578-1580 zwei Observatorien - die Uranusburg (Uraniborg) und die unterirdische Sternenburg (Stjerneborg) - und entwickelte neue Beobachtungsinstrumente wie den Mauerquadranten. Mit Anerkennung, ja Bewunderung kamen König Friedrich II. und seine Gemahlin Sophie - eine Mecklenburgerin - mehrfach zu Besuch, einmal sogar begleitet von Herzog Ulrich von Mecklenburg und seiner Gemahlin Elisabeth. Für seine wissenschaftlichen Verdienste erhielt Tycho Brahe den Elefantenorden verliehen.
Doch die Zeiten änderten sich bald. Der Nachfolger auf dem dänischen Thron, Christian IV. (1588-1648), setzte mehr auf Ordnung in der Verwaltung als auf kreative Wissenschaft. Er setzte mehr auf die Klagen der Bauern über zu hohe Frondienstforderungen des Amtmanns Tycho Brahe als auf dessen Forschungsleistungen in der Astronomie. Bedrängt verließ der Gelehrte 1597 die Insel Hven und zog über Kopenhagen und Rostock nach Wandsbek zu den Rantzaus, von dort 1599 nach Prag zu Kaiser Rudolf, der ihm Aufenthalt und Förderung gewährte. Zwei Jahre später starb er in Prag, umgeben von ebenso begabten wie später berühmten Schülern.
In Rostock erinnert seit einigen Jahren eine Wandskulptur an der Volksbank am Glatten Aal an unseren Mann mit der goldenen Nase: Tycho Brahe.
Kersten Krüger 24. September 2010.
* Gassendi, Pierre: Tychonis Brahei, equitis dani, astronomorum corphaei vita ; accessit Nicolae Copernici, Georgii Peurbachii, et Joannis Regiomontani, astronomorum celebrium vita. Hagae Comitum, 1655.
Seite 9
Rostocij dum agerat, is casus illi contigit quo bonam nasi partem amisit. ...
Seite 10
...
Die Decembris decima, agebantur choreæ, sponsaliorum occasione, in Bachmeisteri ædibus. Cæteros inter adfuerunt tum Tycho, tum Danus alius nobilis, Manderupius Pasbergius, qui suborto dissidio malè invicem affecto exierunt. ...
[27. Dezembner]
Heinc die insequente vigesima nona ventum demum ad arma est, conflictusque fuit circa horam vespertinam septimam, ac adeo in tenebris densis, per quas Manderupius id vulnus Tychoni inflixit, quo tota penè anterior pars nasi resecta prorsus periit. Narrat quoque rem in Epistulis Johannes Baptista Laurus: ubi videtur dissidii causam in æmulationem referre, qua uterque præcellere in Mathematicis contentebat. Adjicit verò Tychonem sibi subdititium nasum haud quidem à cera, sed ex auro, argentoque conflatum ita agglutinasse, ita detenter apposuisse, ut verum omnino nasum mentiretur. Retulit etiam mihi olim Guillelmus Jansonius, qui toto bienno cum Tychone commoratus fuerat, solere illum semper circumgestare pyxidulam, nesciebat unguento, an glutine repletam, è qua satis frequenter aliquid illineret Naso.